Eintrittspflicht einer Bargeldversicherung

OLG Hamm, Urteil vom 15.11.2013 – 20 U 137/08

Aus dem strafprozessualen Privileg, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen zu müssen, erwächst kein Anspruch darauf, ungeachtet des Verschweigens solcher Umstände dennoch private Rechte voll durchzusetzen oder sich gar versicherungsvertragliche Vorteile zu erschleichen  (Rn.131)

Nach Auffassung des Senates stellt es keinen zureichenden Anknüpfungspunkt für eine zu missbilligende Widersprüchlichkeit dar, dass eine Vertragspartei an einem Vertrag festhält, solange es ihr vorteilhaft erscheint und zum Mittel der Anfechtung erst dann greift, wenn sie sich von der Geschäftsbeziehung zum arglistigen Vertragspartner keinen weiteren Nutzen verspricht (Rn.162).

Eine Anfechtungserklärung bedarf keiner Begründung, solange für den Adressaten nur erkennbar ist, auf welchen tatsächlichen Grund die Anfechtung gestützt wird.(Rn.107)

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin das am 04.06.2008 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Essen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage gegen die Beklagten zu 1) bis 3) wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens und der Streithelferin werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Gründe

I.
1

Die Klägerin begehrt von den Beklagten aus abgetretenem Recht Schadensersatz aus Verletzung vertraglicher Nebenpflichten und unerlaubter Handlung, hilfsweise Versicherungsleistungen im Zusammenhang mit einer von der B GmbH (im Folgenden: Fa. B) bei den Beklagten zu 1) und zu 3) im Wege der offenen Mitversicherung im Jahr 2005 genommenen Geld- und Werttransportversicherung (Vertrag …).
2

Die Klägerin ließ bis August 2006 Bargeld durch die Fa. B transportieren. Über das Vermögen der Fa. B wurde dann das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte zu 3) und die D2 Zertifikat SX …/…, deren Prozessstandschafter gemäß § 110 b VAG der Beklagte zu 1) ist, waren Versicherer der Fa. B. Die Beklagte zu 2) ist Korrespondentin des Beklagten zu 1) (also der D2 Zertifikat SX …/…).
3

Die Klägerin begehrt Ersatz für Bargeld im Umfang von 1.778.721,03 EUR, welches sie – wie unstreitig ist – der Fa. B in der Zeit vom 21. bis 29.08.2006 übergeben hatte. Hierzu wird auf S. 52 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 03.09.2007 (Bl. 283 f.) mit Anlagen K 5 und K 62 Bezug genommen.
4

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
5

Bargeld, welches die Klägerin der Fa. B zur “Entsorgung” übergab, war von dieser nach Zählung – und ggf. Bündelung – bei einer Filiale der Bundesbank einzuzahlen. Dabei ist streitig, ob die Fa. B gegenüber der Klägerin verpflichtet war, auf ein Bundesbank-Konto der Hausbank der Klägerin einzuzahlen, oder ob und dann unter welchen Bedingungen es ihr erlaubt war, auf ein eigenes Konto der Fa. B bei der Bundesbank einzuzahlen, um dann – bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang – von dort Beträge an die Hausbank der Klägerin zu überweisen. In den schriftlichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Fa. B heißt es, dass übergebene Gelder einzuzahlen sind auf das Konto der Hausbank der Klägerin bei der Bundesbank (Anlage 2 zum Transportvertrag, Teil der Anlage K 1 zur Klageschrift).
6

Organe der Fa. B verwendeten seit dem Jahr 2001 einen Teil der – auch für eine Vielzahl anderer Auftraggeber – transportierten Gelder zweckwidrig zur Begleichung von Verbindlichkeiten der Fa. B. Sie verschleierten dies, indem sie die dabei jeweils entstehenden Fehlbeträge durch Gelder aus den Abholungen der jeweils nächsten Tage ausglichen. Jedenfalls aus Guthaben auf dem Konto der Fa. B bei der Bundesbank wurden Beträge für eigene Zwecke der Fa. B verwandt; Überweisungen an die Hausbank der Auftraggeber der Fa. B erfolgten erst später aus “neuem Guthaben”. Die Geschäftsführer der Fa. B wurden später durch Urteile des Landgerichts Essen vom 07.03.2007 und 25.04.2007 (21 KLs 2/07) wegen Untreue zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
7

Am 28./29.08.2006 fand auf Anordnung des Beklagten zu 1) bei der Fa. B eine Überprüfung durch Sachverständige der Fa. K Sachverständigen- und Beratungsgesellschaft mbH mit Sitz in Berlin (nachfolgend Fa. K) statt. Mit Beschluss vom 01.09.2006 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der Fa. B eröffnet.
8

In dem zwischen der Fa. B und den Beklagten zu 1) und 3) – vermittelt durch die Fa. W Versicherungsmakler für Sicherheits- und Wertdienste GmbH mit Sitz in K2 – im Februar 2005 geschlossenen Versicherungsvertrag “Geld- und Werttransportversicherung Transport-Police Nr. …” heißt es u.a.:
9

“2 Gegenstand der Versicherung und versicherte Sachen
10

2.1 Versichert sind unter anderem, aber nicht ausschließlich, alle Sachen wie z.B. […], Bezugsrechte, […], Geld, Geldanweisungen, Geldscheine, [ … ], Hartgeld, [ … ], Münzen [ … ], Rechte, […], Schecks (insbesondere Euro-, LZB- und Reiseschecks), [ … ],
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2.1.1 die dem Versicherungsnehmer übergeben oder von ihm übernommen, befördert, bearbeitet oder verwahrt werden;
12

2.1.2 die Eigentum des Versicherungsnehmers sind und als Poolgelder in den eigenen Räumlichkeiten verwahrt werden.
13

[…]
14

3 Umfang der Versicherung

Versichert sind die in Ziffer 2 beschriebenen Sachen gegen
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3.1 alle Gefahren und Schäden, gleichviel aus welcher Ursache, denen sie ausgesetzt sind und soweit der Versicherungsnehmer dem Auftraggeber vertraglich oder gesetzlich für die versicherten Sachen haftet.Insbesondere besteht Versicherungsschutz für:
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3.1.2 Schäden durch Veruntreuung, Unterschlagung oder Diebstahl, die von Mitarbeitern des Versicherungsnehmers, seinen ehemaligen Mitarbeitern oder dem Versicherungsnehmer selbst oder seinen Repräsentanten […] verursacht werden;
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[…]
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4 Ausschlüsse
19

4.1. Ausgeschlossen sind die Gefahren:
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[…]
21

4.1.4 der Beschlagnahme, Entziehung oder sonstiger Eingriffe von hoher Hand;
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[…]
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5 Beginn und Ende der Versicherung
24

5.1 Der Versicherungsschutz beginnt mit der Übergabe oder Übernahme der versicherten Sachen an bzw. durch den Versicherungsnehmer und endet, wenn dieselben in die Obhut des berechtigten Empfängers übergeben worden sind. Bei Einwurf von Nachttresorkassetten oder ähnlichen Geldbomben endet der Versicherungsschutz mit der Gutschrift der zum Zwecke der Einzahlung beförderten Gelder auf dem Konto des bestimmungsgemäßen Empfängers wie bei der direkten Verbuchung der Gelder nach erfolgter Bearbeitung durch den Versicherungsnehmer.
25

[…]
26

8 Obliegenheiten
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[…]
28

8.11.2 Den Entschädigungsansprüchen der Auftraggeber können Einwendungen, gleich welcher Art, aus dem Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer bis zu einem Betrag von EUR 10.000.000,00 je Schadenfall und für alle Auftraggeber zusammen nicht entgegengehalten werden.
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[…]
30

9 Bestimmungen für den Schadenfall
31

9.1 Der Versicherungsnehmer und der Auftraggeber haben Schäden nach Möglichkeit abzuwenden oder zu mindern und den Versicherungsfall unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb 120 Stunden nach Feststellung des Schadens, anzuzeigen, wobei Samstage sowie Sonn- und Feiertage nicht mitgerechnet werden. Für Schäden, die vorsätzlich oder grob fahrlässig nach dieser Frist angezeigt werden, besteht keine Ersatzpflicht des Versicherers, sofern der Verstoß Einfluss auf die Klärung des Schadens hat. […]
32

9.2 Der Versicherungsnehmer und der Auftraggeber haben Auskunft über abhandengekommene, beschädigte oder vernichtete Sachen zu geben und Schadensnachweise zu erbringen, welche der Versicherer billigerweise verlangen kann und die beschaffbar sind. […]
33

[…]
34

9.3.3 Schadenzahlungen können mit befreiender Wirkung nur direkt an den Auftraggeber des Versicherungsnehmers erfolgen. […] Den Entschädigungsansprüchen der Auftraggeber können Einwendungen, gleich welcher Art, aus dem Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer u. dem Versicherer bis zu einem Betrag i.H.v. EUR 10.000.000 je Schadenfall und für alle Auftraggeber zusammen nicht entgegengehalten werden. Das gilt insbesondere für die Berufung auf Leistungsfreiheit, auf mangelnde Haftung des Versicherungsnehmers und Nichtzahlung der Prämie.
35

[…]
36

15 Beteiligte Versicherer
37

[…]
38

15.4 Im Falle eines Prozesses wird der Versicherungsnehmer nur gegen den führenden Versicherer bezüglich dessen Anteils Klage erheben, sofern nicht zum Zwecke des Erreichens von Streitwertgrenzen […]. Die Mitversicherer erkennen die gegen den führenden Versicherer ergehende Entscheidung als auch für sie verbindlich an.
39

[…]”
40

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag Bezug genommen (Anlage K 21 zur Klageschrift). Die Beklagte zu 3) ist Versicherer mit einem Anteil von 30 %, der Beklagte zu 1) führender Versicherer mit einem Anteil von 70 %.
41

Die Klägerin erhielt eine Versicherungsbestätigung (Anlage K 23 zur Klageschrift), auf welche Bezug genommen wird.
42

Die Beklagten zu 1) und 3) erklärten die Anfechtung ihrer Vertragserklärung. Sie machten geltend, die Fa. B habe arglistig getäuscht, indem sie verschwiegen habe, dass bereits vor Vertragsschluss die o.g. Verschiebungen stattfanden.
43

Der Insolvenzverwalter hat seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die Klägerin abgetreten.
44

Die Klägerin hat insbesondere die Auffassung vertreten, die Beklagten hafteten auf Schadensersatz als Gesamtschuldner, weil sie bereits frühzeitig von Unregelmäßigkeiten bei der Fa. B gewusst hätten. Insbesondere hätten sie Kenntnisse unmittelbar vor dem 28.08.2006 gehabt, derentwegen sie die Klägerin hätten warnen müssen, was noch rechtzeitig möglich gewesen wäre und den eingetretenen Schaden verhindert hätte. Jedenfalls aber bestehe – zumindest aus abgetretenem Recht – ein Anspruch aufgrund des o.g. Versicherungsvertrages.
45

Die Klägerin hat beantragt,
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1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.778.721,03 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.09.2006 zu zahlen,
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2. hilfsweise zu 1.
48

a) den Beklagten zu 1) und die Beklagte zu 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.245.104,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.09.2006 zu zahlen
49

b) die Beklagte zu 3) zu verurteilen, an die Klägerin 533.616,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.09.2006 zu zahlen
50

3. hilfsweise zu 1. und 2.
51

a) festzustellen, dass der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin 70 % des ihr entstandenen Schadens aus der Zusammenarbeit mit der Firma B GmbH, N-Straße, … K3, in Höhe von insgesamt 1.778.721,03 EUR quotal unter Berücksichtigung des Gesamtschadens und der Höchsthaftungssummen der von dem Beklagten zu 1) gezeichneten Geld- und Werttransportversicherungs-Police-Nr. … zu erstatten und der Klägerin Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.09.2006 aus dem Erstattungsbetrag zu zahlen,
52

b) festzustellen, dass die Beklagte zu 3) verpflichtet ist, der Klägerin 30 % des ihr entstandenen Schadens aus der Zusammenarbeit mit der Firma B GmbH, N-Straße, … K3 in Höhe von insgesamt 1.778.721,03 EUR quotal unter Berücksichtigung des Gesamtschadens und der Höchsthaftungssummen der von dem Beklagten zu 1) gezeichneten Geld- und Werttransportversicherungs-Police-Nr. … zu erstatten und der Klägerin Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.09.2006 aus dem Erstattungsbetrag zu zahlen.
53

Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
55

Sie haben insbesondere geltend gemacht, ein versicherter Schaden sei nicht eingetreten und erst recht nicht nachgewiesen; der Versicherungsvertrag sei aufgrund der Anfechtungserklärungen nichtig, was auch der Klägerin entgegengehalten werden könne.
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Das Landgericht hat den Beklagten zu 1) verurteilt, an die Klägerin 1.245.104,72 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.09.2006 zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen.
57

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Hauptantrag der Klägerin bleibe insgesamt erfolglos. Soweit die Klägerin den Antrag auf die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht stütze, sei der Antrag gegenüber der Beklagten zu 3) im Hinblick auf die fehlende passive Prozessführungsbefugnis bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet. Die Beklagte zu 3) sei wegen der Prozessführungsklausel in Ziffer 15.4 des Versicherungsvertrags nicht passiv prozessführungsbefugt. Als vertragliche Vereinbarung sei die Prozessführungsklausel auch bei der Geltendmachung von Ansprüchen wegen der Verletzung vertraglicher Nebenpflichten, hier in Form von Schutz- und Obhutspflichten, anwendbar. Nach der Prozessführungsklausel sei zunächst B verpflichtet, nur gegen den führenden Versicherer bezüglich dessen Anteils zu klagen.
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Die Prozessführungsklausel wirke aber auch gegenüber der Klägerin. Denn als versicherte Person habe sie aus Akzessorietätsgesichtspunkten die Rechte aus dem Versicherungsvertrag auch nur so erwerben könne, wie B sie als Versicherungsnehmerin gestaltet habe. Nichts anderes könne für etwaige, aus dem Vertrag erwachsende Nebenpflichten gelten.
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Im Übrigen ist der Hauptantrag unbegründet, da der Klägerin Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten weder aus einer Verletzung vertraglicher Nebenpflichten noch aus deliktischer Haftung zustünden.
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Der Hilfsantrag zu 1) a) sei zulässig, aber lediglich gegenüber dem Beklagten zu 1) begründet.
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Die Beklagte zu 2) sei nicht passivlegitimiert, weil sie nicht Versicherer des streitgegenständlichen Versicherungsvertrages sei. Die Passivlegitimation der Beklagten zu 2) ergebe sich auch nicht aus Rechtsscheinsgesichtspunkten. Denn die Beklagte zu 2) habe gegenüber der Klägerin nicht den Anschein erweckt, selbst Vertragspartner des Versicherungsvertrags zu sein.
62

Die Klägerin habe gegen den Beklagten zu 1) Anspruch auf Zahlung von 1.245.104,72 EUR aus dem Versicherungsvertrag. Die Aktivlegitimation der Klägerin ergebe sich aus der spätestens mit dem Schreiben des Insolvenzverwalters der Fa. B vom 04.12.2006 erfolgten Abtretung der Entschädigungsansprüche aus dem Versicherungsvertrag an die Klägerin.
63

Der Beklagte zu 1) sei passivlegitimiert. Der Versicherungsschein in Verbindung mit dem Versicherungszertifikat bestätige ausdrücklich, dass der Versicherungsvertrag mit den D2 geschlossen wurde und diese daher Versicherer seien. Gemäß § 110 b Abs. 2 VAG seien Ansprüche gegen die Lloyd´s Versicherer London nur gegenüber dem Beklagten zu 1) als Hauptbevollmächtigten der D2 geltend zu machen.
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Der Versicherungsvertrag sei wirksam. Die auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärungen seien nicht durch die Anfechtungen der Beklagten gemäß §§ 123, 142 BGB nichtig.
65

Es könne dahinstehen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung vorlagen. Denn der Beklagte zu 1) könne sich gegenüber der Klägerin nicht auf eine Anfechtung berufen, da gemäß Ziffer 9.3.3 Abs. 2 des Versicherungsvertrags den Entschädigungsansprüchen der Auftraggeber Einwendungen, gleich welcher Art, aus dem Deckungsverhältnis nicht entgegengehalten werden könnten.
66

Der Klägerin sei ein dem Versicherungsschutz des Versicherungsvertrags unterfallender Schaden in Höhe von 1.778.721,03 EUR entstanden, von dem der Beklagte zu 1) 70% zu tragen habe.
67

Der Beklagte zu 1) sei nicht aufgrund einer Obliegenheitsverletzung der Klägerin gemäß § 6 Abs. 3 VVG .F. leistungsfrei geworden.
68

Die Haftung des Beklagten zu 1) werde lediglich durch die in Ziffer 9.3.3 des Ver-sicherungsvertrags festgelegte Höchsthaftungssumme von 10 Mio. EUR begrenzt.
69

Da der eingeklagte Schaden unter dieser Höchstgrenze liege, wirke sich die Haftungsbeschränkung nicht aus. Angesichts des eindeutigen Wortlauts sei für eine von den Beklagten verlangte ergänzende Vertragsauslegung kein Raum. Der Auffassung der Beklagten, wonach es sich bei dem vorliegenden Schneeballsystem um einen gedehnten Schadensfall handele und deswegen die Begrenzung für alle seit 2001 durch die Verschiebungen entstandenen Schäden aller Auftraggeber von B gelte, sei daher nicht zu folgen.
70

Die hilfsweise zu den Anträgen zu 1) und 2.) gestellten Feststellungsanträge zu 3) seien mangels Feststellungsinteresses unzulässig.
71

Gegen diese Entscheidung haben sich die Klägerin und der Beklagte zu 1) mit den von ihnen eingelegten Berufungen unter Wiederholung und Vertiefung des von ihnen vorgebrachten erstinstanzlichen Vortrages gewandt.
72

Der Senat hat durch Urteil vom 18.12.2009 die Berufung des Beklagten zu 1) zurückgewiesen und auf die Berufung der Klägerin die Beklagte zu 3) verurteilt, an die Klägerin 533.616,31 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2007 zu zahlen. Im Übrigen hat er die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
73

Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei nicht begründet. Weder sei den Beklagten eine Garantenstellung zugekommen, noch habe eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsbestätigung gegenüber der Klägerin bestanden, ein Fehlverhalten der A. GmbH zu unterbinden oder auch nur die Klägerin davor zu warnen.
74

Der Klägerin stehe ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag gegen die Beklagten zu 1) und zu 3) entsprechend ihrer Beteiligungsquoten zu, dagegen ergebe sich ein vertraglicher Leistungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) nicht aus ihrer Nennung als führender Versicherer in der Versicherungsbestätigung.
75

An die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 VB, Ansprüche nur gegen den führenden Versicherer entsprechend seiner Beteiligungsquote geltend zu machen, sei die Klägerin nicht gebunden. Mit der Anfechtung des Vertrages wegen arglistiger Täuschung hätten die Beklagten zu 1) und zu 3) zugleich ihre aus Ziffer 15.4 VB folgende Verpflichtung infrage gestellt. Nach Treu und Glauben könnten sie daher von der Klägerin nicht mehr verlangen, sich ihrerseits daran zu halten.
76

Der Anspruch auf Versicherungsleistung, den die Klägerin geltend zu machen berechtigt sei, bestehe, da hinsichtlich jeder an die Fa. B zur Entsorgung übergebenen Geldmenge ein Versicherungsfall eingetreten sei. Dies ergebe sich aus drei unterschiedlichen Gründen.
77

Die nach Ziffer 3.1 VB versicherte Gefahr für das allein vom Versicherungsschutz umfasste Bargeld habe sich bereits durch eine von der Fa. B vorgenommene Vermischung der zu entsorgenden Gelder der Klägerin mit denen anderer Auftraggeber verwirklicht, da dies ohne hinreichende Dokumentation erfolgt sei. Das sei mitursächlich für den Schaden der Klägerin und habe den vertraglichen Verpflichtungen der B widersprochen. Es habe zumindest stets klar sein müssen, mit welchem Anteil welcher Auftraggeber Bruchteilseigentümer einer bestimmten Geldmenge gewesen sei. Wegen der fehlenden Dokumentation sei es der Klägerin hingegen unmöglich, den Verbleib der an die Fa. B übergebenen Gelder nachzuweisen.
78

Ein versicherter Zugriff sei auch in der Einzahlung des Bargeldes der Klägerin auf ein Konto der Fa. B bei der Deutschen Bundesbank zu sehen. Darin liege ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus dem Transportvertrag, die Gelder in bar auf ein Konto der Hausbank der Klägerin bei der Deutschen Bundesbank einzuzahlen. Dass die Klägerin in Abweichung von dieser Vereinbarung gegebenenfalls auch nur stillschweigend mit einer Einzahlung auf ein Eigenkonto der Fa. B einverstanden gewesen sei, habe diese nicht annehmen dürfen.
79

Letztlich sei ein Versicherungsfall gegeben, weil davon auszugehen sei, dass die A GmbH die zu entsorgenden Gelder nicht bei der Deutschen Bundesbank eingezahlt habe. Dies stehe fest, da die Beklagten zu 1) und zu 3) ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt hätten.
80

Der Klageanspruch sei nicht infolge der von den Beklagten zu 1) und zu 3) erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages entfallen. Mit der Geltendmachung dieses Einwands seien diese gegenüber der Klägerin aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB ausgeschlossen.
81

Die Klägerin treffe auch kein anrechenbares Mitverschulden; Anhaltspunkte für eine grob fahrlässige Verursachung des Versicherungsfalles i.S. des § 61 VVG a.F. bestünden nicht. Die Einstandspflicht der Versicherer sei nicht durch die Vereinbarung einer Höchstsumme von 10 Mio. EUR in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB begrenzt. Auch ein gedehnter Schadenfall liege nicht vor.
82

Gegen diese Entscheidung haben sich die Klägerin und die Beklagten zu 1) und 3) mit der von ihnen eingelegten Revision gewandt. Der Bundesgerichtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen und auf die Revision der Beklagten zu 1) und 3) das Urteil des Senats aufgehoben und im Umgang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an den Senats zurückverwiesen.
83

Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, die Abweisung der mit dem Hauptantrag gegenüber den Beklagten verfolgten Schadensersatzansprüche sei rechtsfehlerfrei. Ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB bestehe selbst dann nicht, wenn die Beklagten – wie von der Klägerin mit ihrer Revision weiterhin geltend gemacht – seit März 2006 um die Geschäftspraktiken der B gewusst hätten. Zutreffend habe das Berufungsgericht angenommen, dass weder dem Versicherungsvertrag noch der Versicherungsbestätigung besondere Schutzpflichten der Beklagten gegenüber den Versicherten zu entnehmen seien. Die Versicherungsbestätigung enthalte insbesondere keine entsprechenden – ungeschriebenen – Mitteilungspflichten oder Pflichten, ein Fehlverhalten der Verantwortlichen der Fa. B zu unterbinden oder die Versicherten vor einem drohenden Schaden zu warnen. Gleiches gelte für den Versicherungsvertrag selbst. Die Klägerin könne auch einen Schadensersatzanspruch aus §§ 823, 826, 830 BGB i.V.m. §§ 246, 263, 266, 27 StGB nicht aufzeigen. In ihrer Revision verweise sie allein auf eine erst während der Vertragslaufzeit erlangte Kenntnis der Beklagten. Ein schadenbegründender Vorwurf werde daher nicht schon an die Gewährung von Versicherungsschutz, sondern erst daran geknüpft, dass dieser weiterhin unterhalten worden und eine – vorzeitige – Vertragsbeendigung oder zumindest eine Information der Versicherten unterblieben sei. Eine solche in einem Unterlassen gründende Beihilfe i.S. von § 27 StGB erfordere unter anderem eine Garantenstellung i.S. des § 13 StGB. Diese habe das Berufungsgericht mit Blick darauf verneint, dass die Klägerin die Fa. B auf eigenes Risiko als Vertragspartnerin ausgewählt und mit den Beklagten keinen eigenen Vertrag geschlossen habe und dass sich dem Versicherungsvertrag keine besonderen Schutzpflichten der Beklagten entnehmen ließe. Das sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und werde von der Klägerin auch nicht angegriffen.
84

Die auf Leistung und Feststellung gerichteten Hilfsanträge hätten die Vorinstanzen gegenüber der Beklagten zu 2) zu Recht abgewiesen.
85

Die Beklagte zu 2) sei nicht Versicherer der hier genommenen Geld- und Werttransportversicherung.
86

Die Verurteilung der Beklagten zu 1) und zu 3) nach dem ersten Hilfsantrag halte rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidungserheblichen Punkt jedoch nicht stand. Zwar nehme das Berufungsgericht richtig an, dass die Klägerin infolge der erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagten zu 1 und zu 3 nicht an die Verpflichtung aus Ziffer 15.4 Satz 1 VB gebunden sei, nur gegen den führenden Versicherer Klage zu erheben. Der Anwendungsbereich der in Ziffer 15.4 Satz 1 VB vereinbarten – lediglich passiven – Prozessführungsklausel sei nicht eröffnet. Es fehle an dem von ihr vorausgesetzten Gleichlauf der Einwendungen der Versicherer, die dem Anspruch auf Versicherungsleistung entgegengehalten werden könnten. Darüber hinaus stelle sich die Erhebung dieses Einwandes bei gleichzeitigem Berufen auf die Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt infolge Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss als ein nach § 242 BGB zu missbilligendes Verhalten dar.
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Auch einen nach Ziffer 3.1 VB versicherten Schaden in Höhe von 1.778.721,03 EUR aufgrund der Bargeldentsorgung durch die Fa. B habe das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt.
88

Die Beklagten zu 1) und zu 3) seien auch nicht deshalb nach §§ 130, 131 VVG a.F. i.V.m. § 79 Abs. 1 VVG a.F. leistungsfrei, weil die Klägerin die Fortsetzung der Geschäftspraktiken der Fa. B ermöglicht oder zumindest begünstigt habe.
89

Selbst bei einer fahrlässigen Schadenverursachung durch die Klägerin sei Versicherungsschutz zu gewähren. Die §§ 130, 131 VVG a.F. seien gemäß Ziffer 4.2.1 VB zugunsten der Versicherten abbedungen
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Mit Recht habe das Berufungsgericht auch einen gedehnten Schadenfall abgelehnt und angenommen, dass die in Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB vereinbarte Haftungshöchstgrenze von 10 Mio. EUR je Schadenfall den Anspruch der Klägerin nicht berühre. Jede einzelne vertragswidrige Einzahlung auf ein Eigenkonto der A GmbH begründe einen stofflichen Zugriff infolge separaten Verstoßes gegen die sich aus dem Transportvertrag ergebenden Pflichten und damit einen getrennt zu beurteilenden Versicherungsfall.
91

Das Berufungsgericht habe die Beklagten zu 1) und zu 3) jedoch aufgrund Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB zu Unrecht mit dem Einwand der Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung i.S. von § 123 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.
92

Ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss sei unwirksam, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB ist. Das gelte auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten zu 1 und zu 3 als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung. Es könne daher offen bleiben, ob Ziffer 9.3.3 Abs. 2 VB durch Auslegung ein solcher, gegenüber diesen wirkender Verzicht zu entnehmen sei.
93

Deshalb werde der hiesige Senat der Frage nachzugehen haben, ob die Beklagten ihre Vertragserklärungen wirksam wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss angefochten hätten.
94

Nach Zurückweisung trägt die Klägerin u.a. vor, sie habe substantiiert und unter Beweisantritt ausgeführt, dass die Beklagten vor Vertragsschluss Kenntnis von den Vorgängen bei der Firma B gehabt hätten. Sie stützt ihr Vorbringen insoweit u.a. auf die Anlage K 111 (Bl. 1892 der Akten) und führt aus, sie wisse nicht sicher, ob diese Anlage von Herrn N2 oder Herrn N stamme. Sie gehe mit der Beklagten davon aus, dass das Dokument von N stamme. Sie berufe sich zum Beweis für die Tatsache, dass dem heutigen Geschäftsführer der Beklagten zu 2), Herrn I, dem für die B2 GmbH bei der Beklagten zu 3) zuständigen Mitarbeiter, Herrn X sowie dem prüfenden Sachverständigen, Herrn M, bereits im Jahre 2002 seit ihrer Tätigkeit für den Vorversicherer Y bekannt gewesen sei, dass bereits im Jahre 2002 seit der Euro-Umstellung die B2 GmbH bzw. deren Repräsentanten persönlich Zugriff auf anvertraute Kundengelder genommen hätten und diese antragswidrig nicht an die Kunden ausgekehrt hätten, um Löcher im laufenden Geschäftsbetrieb zu stopfen, zusätzlich auf das Zeugnis des Herrn N. Selbst wenn es sich hierbei um ein neues Angriffs – und Verteidigungsmittel handeln sollte – was nicht der Fall sei – wäre dieses gemäß § 531 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO zuzulassen.
95

Die Beklagten zu 1) und 3) hätten zudem die Verträge der offenen Mitversicherung zu einem Zeitpunkt umfangreich geändert und das übernommene Risiko substantiell erhöht, als ihnen aufgrund der unter Beweis gestellten Vorkommnisse die Anfechtungsgründe den Umstände längst bekannt gewesen seien. Dies sei unter Beweisantritt vorgetragen. Hierin sei eine Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts im Sinne des §§ 144 Abs. 1 BGB zu sehen.
96

Sie, die Klägerin, habe schließlich unter Beweisantritt vorgetragen, dass es im hiesigen Verfahren gemäß § 166 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Täuschung durch unterlassene Aufklärung allein auf den Versicherungsmakler W Versicherungsmakler für Sicherheit – und Wertdienste GmbH ankomme und – anders als in den sogenannten Y Verfahren – vorliegend die Voraussetzungen der Sonderregelung in § 166 Abs. 2 BGB nicht erfüllt seien. Die Fa. B und die Herren N hätten überhaupt kein Interesse an dem Wechsel der Versicherung gehabt, sie seien versichert gewesen. Daher sei gem. § 166 Abs. 1 allein auf das Wissen des Maklers abzustellen. Eine solche Kenntnis des Maklers sei aber weder behauptet noch vorgetragen.
97

Weiterhin führt die Klägerin aus, soweit die Anfechtung durchgreife, würde gemäß darauf 139 BGB die Vorgängerpolicen Nr. … wieder aufleben mit dem Ergebnis, dass die Beklagte zu drei als Mitversicherer aus der Vorgängerpolice sowie die Nebenintervenientin als führender Versicherer der Vorgängerpolice der Klägerin auf Ersatz des Schadens haften würden.
98

Die Klägerin ist schließlich der Ansicht, die von den Beklagten erklärte Anfechtung sei unwirksam, da es sich um eine nach englischem Recht erteilte Vollmacht handele und daher nicht ersichtlich sei, dass auch eine Anfechtungsvollmacht der D bzw. des RA Dr. H2 bestanden habe.
99

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihrer Anlagen Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

II.
100

Die Berufung des Beklagten zu 1) ist begründet, die Berufung der Klägerin ist unbegründet.
101

Der Beklagte zu 1) hat zusammen mit der Beklagten zu 3) den Versicherungsvertrag (…) vom 09.02./17.02.2005 wirksam nach § 123 BGB angefochten, so dass dieser Vertrag nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist und deshalb aus diesem Vertrag von der Klägerin keinerlei Leistungsansprüche gegen die Beklagten zu 1) und 3) geltend gemacht werden können.
102

1. Das Recht zur Anfechtung war nicht von vornherein ausgeschlossen. Anders als der Senat in seinem Urteil vom 18.12.2009 angenommen hat, ist der Einwand der Anfechtung nicht durch Ziffer 9.3.3. der Versicherungsbedingungen ausgeschlossen. Denn der Bundesgerichtshof hat in seinem Revisionsurteil vom 09.11.2011 für den Senat bindend entschieden, dass ein vertraglicher, im Voraus erklärter Ausschluss der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung bei Vertragsschluss unwirksam ist, wenn die Täuschung von dem Geschäftspartner selbst oder von einer Person verübt worden ist, die nicht Dritter i.S. des § 123 Abs. 2 BGB sei. Dies gilt auch für das Verhältnis zwischen den Beklagten als Versicherer und den Versicherten einer Versicherung für fremde Rechnung, also auch gegenüber der Klägerin.
103

Auch aus der Versicherungsbestätigung, die die Beklagte zu 2), die Fa. D, der Klägerin übersandt hat, erwachsen dieser in Bezug auf die Arglistanfechtung keine weitergehenden Rechte. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 21.09.2011 (IV ZR 38/09, Rz 33 bei iuris) entschieden hat, stellen die Versicherungsbestätigungen lediglich deklaratorische Informationsschreiben dar, die dazu dienen die Versicherten über Abschluss und Inhalt des Versicherungsvertrages zu informieren. Eine gesonderte Begründung, Stärkung und Sicherung von Rechten der Versicherten ist damit nicht verbunden (BGH a.a.O.), so dass es keiner gesonderten Anfechtung dieser Versicherungsbestätigung bedurfte (BGH a.a.O.), die hier mit Schreiben vom 18.09.2006 erfolgt ist.
104

2. Die Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtungserklärung sind erfüllt.
105

a) Bereits die Anfechtungserklärung der Beklagten zu 2), der Fa. D, mit der Rechtsanwalt H2 mit einem an die Fa. B gerichteten Schreiben vom 30.08.2006 unter Bezugnahme auf die “… Police-Nr. …” im Auftrag der D GmbH, diese handelnd “als Bevollmächtigte der Versicherer”, die Anfechtung der zum Abschluss der vorgenannten Police führenden Willenserklärung erklärt hat, ist wirksam.
106

Die Wirksamkeit der Vollmacht beurteilt sich dabei, auch wenn sie von einem englischen Lebensversicherer in England erteilt wurde, hier nach deutschem Recht. Das für die Vollmacht maßgebliche Recht ist nicht gesetzlich geregelt, vgl. Art. 37 Nr. 3 EGBGB. Im Interesse des Verkehrsschutzes ist nach h.M. die Vollmacht selbständig anzuknüpfen (Vollmachtstatut). Als Vollmachtstatut ist das Recht des Staates maßgeblich, in dessen Geltungsbereich die Vollmacht Wirkung erlangt, in dem von ihr Gebrauch gemacht wird (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.09.2009, I -10 U 121/08; BGH NJW 1992, 618; NJW-RR 1990, 248, 250; Palandt-Heinrichs, EGBGB, Anhang zu Art. 32). Das Recht des Wirkungslandes entscheidet über das Bestehen, insbesondere die wirksame Erteilung einer Vollmacht, deren Auslegung und Umfang. Bei Abschluss des Vertrages mit der Fa. B sollte die der Fa. D erteilten Vollmacht unzweifelhaft in Deutschland Wirkung erlangen, so dass sich die Wirksamkeit und der Umfang der Vollmacht nach deutschem Recht beurteilt.
107

aa) Die Anfechtungserklärung bedurfte keiner weiteren Begründung, da der Anfechtungsgrund in der Anfechtungserklärung nicht angegeben werden muss. (Palandt/ Ellenberger, 71. Aufl., § 143 BGB Rz 3). Zwar ist erforderlich, dass für den Anfechtungsgegner erkennbar ist, auf welchen tatsächlichen Grund die Anfechtung gestützt wird (Ellenberger a.a.O.). Dem genügt die Erklärung vom 30.08.2006, weil in ihr ausdrücklich auf den Zugriff auf Kundengelder seit 2002 mit einem Schaden von 16,9 Mio. EUR Bezug genommen wird.
108

bb) Die Anfechtungserklärung vom 30.08.2006 leidet auch an keinem ihre Wirksamkeit ausschließenden Mangel:
109

(1) Da das Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Fa. B durch Beschluss des AG Essen vom 01.10.2006 eröffnet wurde, lag zum Zeitpunkt des 30.08.2006 kein eröffnetes Insolvenzverfahren vor. Die Verfügungsbefugnis lag somit noch bei der Fa. B, so dass diese auch die richtige Adressatin für Anfechtungserklärungen war.
110

(2) Die Anfechtungserklärung vom 30.08.2006 hat Rechtsanwalt H2 ausdrücklich im Namen der Beklagten zu 2), der Fa. D, erklärt und dabei zugleich zum Ausdruck gebracht, dass diese wiederum als Bevollmächtigte der Versicherer handelt.
111

(3) Die Fa. D konnte wirksam für die Beklagten zu 1) und 3) handeln.
112

(a) Die Anfechtungserklärung vom 30.08.2006 hat die Beklagte zu 2), die Fa. D bzw. der von dieser bevollmächtigte Rechtsanwalt H2 erkennbar im Namen der Versicherer abgegeben. Allein daraus, dass aufgrund des Handelns des Maklers W die D GmbH, die keine Versicherung ist, als führender Versicherer angegeben wurde, kann nicht geschlossen werden, dass die Fa. D die Anfechtungserklärung nicht für die von ihr vertretenen Versicherer, sondern im eigenen Namen abgeben wollte.
113

Der Umstand, dass die Versicherer in der Anfechtungserklärung nicht namentlich benannt sind, ist unschädlich, weil eine solche ausdrückliche Benennung nicht erforderlich ist. Ausreichend ist eine Individualisierbarkeit des Vertretenen (MünchKomm/ Schramm, 6. Aufl. 2012 § 164 BGB Rz 18), die hier angesichts der Umstände ohne weiteres möglich ist. Dass es sich bei der Fa. D nicht um einen Versicherer handeln konnte, lag schon deshalb auf der Hand, weil eine GmbH nicht Versicherer sein kann (vgl. § 7 Abs. 1 VAG). Dass der Versicherungsmakler W dies verkannt hat, ist ohne Bedeutung, weil es auf dessen unzutreffende Sichtweise nicht ankommt.
114

(b) Die Vollmacht von Rechtsanwalt H2 zum Handeln für die Fa. D und die Vollmacht der Fa. D zum Handeln für die Versicherer ist gegeben. Während erstere unstreitig ist, kann auch das Vorliegen von letzterer festgestellt werden.
115

Die Fa. D hat bei Abschluss des Versicherungsvertrages als Vertreterin der Lloyd”s Versicherer gehandelt. Diese Vollmacht ergibt sich u.a. aus der Erklärung der “D2″ vom 09.02.2005, in der die Fa. D als der “zeichnungsbevollmächtigte Korrespondent” bezeichnet wird. Die Fa. D hatte somit Vollmacht zum Abschluss des Vertrages mit der Fa. Arnold. Zu § 45 VVG a.F. war es anerkannt, dass ein Abschlussagent auch zum Ausspruch von Anfechtungen befugt war (vgl. Bruck/Möller, 8. Aufl. § 20 VVG Anm. 10, § 22 VVG Anm. 19, § 45 VVG Anm 14). Deshalb ist der der Fa. D erteilten Abschlussvollmacht zugleich eine Anfechtungsvollmacht zu entnehmen.
116

Auf die Behauptung der Beklagten, dass die Lloyd”s Versicherer “nach den am 28./29.08.2006 gewonnenen Erkenntnissen” der Fa. D eine Anfechtungsvollmacht als Innenvollmacht erteilt haben, kommt es danach nicht mehr an.
117

Allerdings kann sich die aus der Abschlussvollmacht folgende Anfechtungsvollmacht allein auf die beteiligten D2 beziehen, denn nur diese hat die Fa. D bei Vertragsabschluss vertreten. Die Fa. D hat allein für den “führenden Versicherer” unterschrieben und nicht für den “beteiligten Versicherer”. Vielmehr folgt aus den übereinstimmend vorgelegten Vertragsdokumenten, dass die Beklagte zu 3) bei Vertragsabschluss nicht von der Fa. D vertreten worden ist, sondern selbst unterschrieben hat.
118

Die Vollmacht der D2 als führender Versicherer zum Handeln auch für die beteiligten weiteren Versicherer folgt aus Ziffer 15 des Versicherungsvertrages. Zwar enthält die in Ziffer 15 getroffene Regelung eine solche Vollmacht nicht ausdrücklich: Ziffer 15.1. enthält eine Vollmacht, alle Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag außergerichtlich und gerichtlich für alle Versicherer geltend zu machen; Ziffer 15.3 Satz 1 erklärt alle vom führenden Versicherer getroffenen Vereinbarungen für alle Versicherer für verbindlich; in Ziffer 15.4. Satz 2 erkennen die weiteren Versicherer die in Prozessen gegen den führenden Versicherer ergangenen Entscheidungen als verbindlich an. Damit ist dem führenden Versicherer eine umfassende Vertretungsbefugnis eingeräumt, soweit es nicht um die in Ziffer 15.4. Satz 3 erfasste Abänderung der Höchsthaftungssummen geht. Zwar bezieht sich diese umfassende Vertretungsbefugnis dem Wortlaut nach nicht auf die Abgabe von Willenserklärungen. Jedoch ist Ziffer 15 angesichts des offenkundig auf eine allumfassende Bevollmächtigung abzielende Regelung dahin auszulegen, dass auch insoweit eine Vollmacht des führenden Versicherers besteht. Denn wenn der führende Versicherer die Vollmacht hat, Vereinbarungen zu schließen und damit bevollmächtigt ist, Willenserklärungen auch mit Wirkung für die weiteren Versicherer abzugeben, ist damit als “minus” auch die Vollmacht umfasst, Willenserklärungen abzugeben, die nicht auf einen Vertragsschluss zielen, sondern bereits für sich, also als einseitige Willenserklärungen, auf rechtserhebliche Folgen abzielen.
119

Der Umstand, dass der Anfechtungserklärung eine Vollmachtsurkunde nicht beilag, ist unerheblich, weil die Fa. B von der Möglichkeit des § 174 Satz 1 BGB keinen Gebrauch gemacht hat.
120

(c) In jedem Fall wäre ein – unterstelltes – vollmachtloses Handeln der Fa. D für die Beklagte zu 3) nach den §§ 177 Abs. 1, 184, 180 Satz 2 BGB wirksam.
121

Der Anfechtungserklärung von Rechtsanwalt H2 hatte eine Vollmacht nicht beigelegen; eine Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB ist jedoch nicht erfolgt. Damit hätte – bei unterstelltem Fehlen einer Vollmacht – die Wirksamkeit der Anfechtungserklärung nach § 180 Satz 2 BGB von einer Genehmigung der Beklagten zu 3) nach den §§ 177 Abs. 1, 184 BGB abgehangen. Diese liegt hier in der seitens des Rechtsanwalts Dr. H für die Beklagte zu 3) erklärten Anfechtungserklärung vom 26.09.2006, jedenfalls in dem in diesem Rechtsstreit gefertigten Klageerwiderungsschriftsatz, in welchem die Anfechtung namens der Beklagten, auch der Beklagten zu 3), ausdrücklich wiederholt und erneut erklärt wurde (Bl. 93 GA).
122

b) Auf die für die Beklagte zu 3) erklärte Anfechtungserklärung seitens des Rechtsanwalts Dr. H vom 26.09.2006 kommt es danach nicht mehr an. In jedem Fall liegt hierin eine für die Beklagte zu 3) wirksam erklärte Anfechtungserklärung. Zwar war zu dem Zeitpunkt ihrer Abgabe war das am 01.10.2006 eröffnete Insolvenzeröffnungsverfahren noch nicht eröffnet. Es lag jedoch durch Beschluss vom 01.09.2006 ein Insolvenzeröffnungsverfahren vor, für das angeordnet war, dass Verfügungen nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. InsO. Damit war die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen (MünchKomm/Ott/Vuia § 81 Inso Rz 12 b). Damit ist diese Anfechtungserklärung der Beklagten zu 2) gegenüber dem richtigen Empfänger abgegeben worden.
123

3. Es ist auch ein Anfechtungsgrund nach § 123 Abs. 1 BGB gegeben.
124

Die Versicherer sind bei Abschluss des Versicherungsvertrages über die unlauteren Geschäftspraktiken der Fa. B von dieser arglistig getäuscht worden. Bei deren Kenntnis hätten sie den Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen.
125

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts in seinen Strafurteil vom 07.03.1997 betreffend N und N2 sowie in seinem Strafurteil betreffend S. arbeitete die Fa. B bereits im Jahr 2001 mit einer monatlichen Unterdeckung von 100.000 bis 200.000 EUR, die seit 2002/2003 über 200.000 EUR monatlich betrug. Gegenüber Sozialversicherungsträgern, Finanzbehörden, Banken sowie Subunternehmern seien die Schulden auf mehrere Millionen Euro angestiegen. Als die Geschäftsführer spätestens Anfang 2003 endgültig festgestellt hatten, dass die finanziellen Mittel der Gesellschaften zur Begleichung der regelmäßigen Verbindlichkeiten nicht ausreichten, beschlossen sie, das von den Kunden anvertraute Geld zur Begleichung der Verbindlichkeiten des Unternehmens zu verwenden. In der Folgezeit wurden vereinnahmte Kundengelder nicht unverzüglich auf Konten der Kunden zur Einzahlung gebracht, sondern erst verspätet gutgeschrieben, wobei dafür regelmäßig das zu diesem Zeitpunkt neu abgeholte Geld anderer Kunden verwendet wurde. In der Zwischenzeit wurden die entnommenen Gelder auf Konten des Unternehmens überwiesen und für anderweitige, geschäftliche Verbindlichkeiten zweckwidrig verwendet. Im Zeitraum vom 14.02.2003 bis zum 13.01.2006 wurden Kundengelder in Höhe von insgesamt 12.363.419,17 EUR aus dem laufenden Geschäftsbetrieb entnommen und zur Begleichung laufender Verbindlichkeiten der B GmbH verwendet. Den Geschäftsführern war bewusst, dass es aufgrund der Geschäftslage der GmbH höchst ungewiss war, ob und ggf. in welchem Umfang es jemals gelingen würde, Fehlbestände wieder auszugleichen. Unter Berücksichtigung von insgesamt 12,1 Mio. EUR, die bestehenden Geldkreisläufen entnommen und am 28.04.2006 der Fa. Y3 ausgezahlt wurden, hat das Landgericht einen den Kunden entstandenen Schaden von insgesamt 24.560.770,83 EUR festgestellt.
126

Der Senat ist in seinem Urteil vom 18.12.2009 davon ausgegangen, dass Organe der Fa. B seit dem Jahr 2001 einen Teil der transportierten Gelder zweckwidrig zur Begleichung von Verbindlichkeiten der Fa. B verwendet haben, wobei sie dies dadurch verschleierten, dass sie die dabei jeweils entstehenden Fehlbeträge durch Gelder aus den Abholungen der jeweils nächsten Tage ausglichen.
127

Der Bundesgerichtshof hat in dem Tatbestand seines Revisionsurteils festgestellt, dass die Geschäftsführer der B GmbH seit dem Jahr 2001 dieser zum Transport überlassenes Bargeld zweckwidrig verwendet haben, indem sie damit unter anderem Verbindlichkeiten der B GmbH gegenüber anderen Auftraggebern beglichen.
128

Diese Feststellungen, die sich mit dem Inhalt des Berichtes des Insolvenzverwalters vom 27.11.2006 decken, wonach eine wirtschaftliche Schieflage liquiditätsmäßig längere Zeit dadurch ausgeglichen wurde, dass in großem Umfang Kundengelder in Höhe eines Gesamtbetrages von auf 23.556.317,35 EUR veruntreut worden sind, kann der Senat als unstreitig seinem Urteil zugrunde legen. Die Klägerin hat weder erst- noch zweitinstanzlich das Vorliegen der Anfechtungsgründe – Überschuldung, Schneeballsystem – bestritten. Sie hat sich vielmehr auf den Standpunkt gestellt, dass die beteiligten Versicherer wegen bereits bestehender Vorkenntnis gar nicht getäuscht werden konnten.
129

b) Die Fa. B traf auch die Pflicht, die Versicherer über die Verschiebung von Kundengeldern aufzuklären.
130

Hier kann nichts anderes gelten als das, was der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 21.09.2011 (IV ZR 38/09 Y4) in einem vergleichbaren Fall zu einem Schneeballsystem entschieden hat. Das Bestehen einer Aufklärungspflicht folgt daraus, dass angesichts der unlauteren Geschäftspraktiken bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses jederzeit die Entdeckung und der Zusammenbruch des Schneeballsystems drohte mit der Folge, dass Auftraggeber Gelder bzw. deren Gegenwert verlieren konnten, so dass die Versicherer durch zahlreiche Versicherte in Anspruch genommen werden konnten (BGH a.a.O. Rz 38 bei iuris). Daher stellt allein das Betreiben eines solchen Schneeballsystems bereits eine anzeigepflichtige unmittelbare Gefährdung des Vertragszwecks der Versicherung dar. Damit ergibt sich auch hier, dass durch das Verschweigen der geschilderten Gefahren die Fa. B ihr eigenes wirtschaftliches Wagnis zum Teil auf die Versicherer verlagert hat und diese bewusst mit einem Risiko belastet hat, das über die mit dem Abschluss einer Valoren-Transport-Versicherung normalerweise verbundenen Gefahren erheblich hinausgeht.
131

Dabei ist es unerheblich, dass sich die Verantwortlichen der Fa. B bei Offenbarung ihrer Geschäftspraktiken gegenüber den Versicherern unerlaubter Handlungen hätten bezichtigen müssen. Denn aus dem strafprozessualen Privileg, sich nicht selbst einer Straftat bezichtigen zu müssen, erwächst kein Anspruch darauf, ungeachtet des Verschweigens solcher Umstände dennoch private Rechte voll durchzusetzen oder sich gar versicherungsvertragliche Vorteile zu erschleichen (BGH a.a.O. Rz 39 bei iuris). Die verschwiegenen Geschäftspraktiken betrafen unmittelbar das zu versichernde Risiko. Sie stellten auch keinen in der Vergangenheit abgeschlossenen Vorgang dar, sondern dauerten fort und setzten die Versicherungsnehmerin der Gefahr der Insolvenz und die Versicherer einem deutlich erhöhten Risiko der Inanspruchnahme aus (BGH a.a.O. Rz 39 f bei iuris).
132

Die Verheimlichung des Schneeballsystems ist auch bewusst geschehen. Den Geschäftsführern der Fa. B war das Betreiben eines Schneeballsystems nur zu gut bekannt; sie haben es vorsätzlich installiert und vorsätzlich aufrechterhalten. Sie kannten damit die ihrer Offenbarungspflicht zugrunde liegenden Tatsachen. Dass die Geschäftsführer irrig, etwa aufgrund einer rechtlichen Falschbewertung ihrer Pflichten, davon ausgegangen wären, dass sie das Betreiben des Schneeballsystems nicht offenbaren müssten, kann nicht angenommen werden. Das Landgericht Essen hat in seinen Strafurteilen festgestellt, dass die Geschäftsführer bestrebt gewesen seien, die zweckwidrige Verwendung von Kundengeldern gegenüber den Kunden geheim zu halten. Dass unter diesen Umständen den Geschäftsführern die Gefahrerheblichkeit des betriebenen Schneeballsystems nicht bewusst gewesen sei, kann nicht angenommen und als gänzlich lebensfremd ausgeschlossen werden.
133

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch nicht gemäß § 166 Abs. 1 BGB hinsichtlich der Täuschung durch unterlassene Aufklärung allein auf das Wissen des Versicherungsmaklers W GmbH und dessen Kenntnis abzustellen. Da die W GmbH als Versicherungsmakler auf Seiten der Fa. B und nicht auf Seiten der Beklagten tätig war, kann gem. § 166 Abs. 2 BGB in Ansehung der Umstände, die die Fa. B bzw. deren Repräsentanten kannten nicht auf die Unkenntnis des Vertreters abgestellt werden.
134

c) Die durch Unterlassen begangenen arglistigen Täuschungen seitens der Fa. B waren auch kausal für die Entscheidung der über die maßgeblichen Umstände sich im Irrtum befindlichen Beklagten, den hier in Rede stehenden Versicherungsvertrag zu schließen.
135

aa) Die Beklagten hätten sich dann, wenn sie von den systematischen Verschiebungen von Kundengeldern ab 2001 bei Vertragsschluss Kenntnis gehabt hätten, nicht in einem Irrtum befunden. Es ist Sache des Anfechtenden, hier also der Beklagten, den von ihnen behaupteten Irrtum zu beweisen (BGH Beschluss vom 21.03.2012 IV ZR 233/09 Rz 21 bei iuris).
136

Der Irrtum des Erklärenden besteht, wie der BGH (a.a.O. Rz 22 bei iuris) betont hat, wenn der Erklärungsgegner seine Täuschung durch Verschweigen verübt hat, in einem Nichtwissen. Will sich der Erklärende auf die Unkenntnis der verschwiegenen Umstände berufen, muss er mithin darlegen und unter Beweis stellen, er habe diese Umstände nicht gekannt. Da hierfür die Regeln über Darlegung und Beweis von Negativtatsachen gelten, genügt der Anfechtende seiner Darlegungslast zunächst mit der Behauptung, die betreffenden Umstände seien ihm vom Erklärungsgegner verschwiegen worden und auch nicht auf andere Weise zur Kenntnis gelangt. Sodann ist es Aufgabe des Gegners, Umstände darzulegen, aus denen sich das Wissen des Anfechtenden um die verschwiegenen Tatsachen ergibt. Diese in erster Linie den Erklärungsgegner, mithin die Versicherungsnehmerin (B), treffende sekundäre Darlegungslast trifft auch denjenigen Versicherten, der – wie die Klägerin – an Stelle der Versicherungsnehmerin Rechte aus dem angefochtenen Vertrag herleiten will.
137

Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Zwar hat die Klägerin unter Beweisantritt behauptet, die Beklagten hätten bereits bei Vertragsschluss Kenntnis vom Schneeballsystem der Fa. B gehabt. Eine Kenntnis der Beklagten kann nicht bereits daraus hergeleitet werden, dass die Geschäftsführer der Fa. D, I und I2, zuvor beim Vorversicherer Y tätig waren und von dort aus bereits die Fa. B, die ihnen dann bei ihrem Wechsel zur Firma D folgte, als Versicherungsnehmerin betreut haben. Aus der Tätigkeit der Geschäftsführer der Fa. D für den Vorversicherer ergibt sich allein die Kenntnis der allgemeinen Verhältnisse bei Fa. B und nicht die Kenntnis vom Betreiben eines Schneeballsystems durch die Verantwortlichen der Fa. B.
138

Darüber hinaus hat die Klägerin keine konkreten, hinreichend substantiierten Tatsachen vorgetragen, die den Schluss zulassen, dass die Beklagten vom Schneeballsystem der Fa. B bereits bei Vertragsschluss Kenntnis gehabt haben sollen. Entsprechende Tatsachen ergeben sich insbesondere auch nicht aus der von der Klägerin vorgelegten handschriftlichen Erklärung eines der Herren N, in der es u.a. heißt: “Herrn I und Herrn M waren Probleme seit der Übernahme zu Y im Jahr 2002 bekannt.” Aus dieser Erklärung kann nicht hergeleitet werden, dass die betreffenden Personen Kenntnis davon hatte, dass die Repräsentanten der Fa. B GmbH bereits vor Vertragsschluss systematisch Zugriff auf anvertraute Kundengelder nahmen und diese auftragswidrig nicht an die Kunden weiterleiteten. Es fehlt es an jeglichem Vortrag der Klägerin dazu, wann, wie und auf welche Weise die Geschäftsführer oder der Sachverständige Kenntnis von dem durch die Firma B betriebenen Schneeballsystem erlangt haben sollen oder aufgrund welcher konkreter Anhaltspunkte eine solche Kenntnis wahrscheinlich erscheint.
139

Zwar hat die Klägerin selbst keine unmittelbare Kenntnis von internen Vorgängen bei den Beklagten, was ihr die Darlegung und Beweisführung erschwert. In einem solchen Fall darf eine Partei auch Tatsachen, deren Vorliegen sie lediglich vermutet, als feststehend behaupten und unter Beweis stellen, wenn für die Richtigkeit ihres Vorbringens hinreichende Anhaltspunkte bestehen. Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird eine solche Beweisführung erst bei offensichtlicher Willkür oder Rechtsmissbrauch der vortragenden Partei (vgl. BGH, Urteil vom 09.11.2009, IV ZR 90/09-iuris-,m.w.N.). Keinem Beweis zugänglich ist eine Behauptung somit dann, wenn sie letztlich ins Blaue hinein erfolgt. Hier bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigen könnten, dass die Geschäftsführer der Fa. D – z.B. aufgrund eines besonderen Näheverhältnisses zu den Herren N – Kenntnis von den schon bei Vertragsschluss bestehenden kriminellen Machenschaften bei der Fa. B hatten. Aus welchem Grunde der Sachverständige M Kenntnis gehabt haben soll, ist ebenso wenig ersichtlich. Entsprechender Vortrag wird durch das als Anlage K 111 eingereichte Schreiben nicht ersetzt, da sich auch aus diesem Schreiben keinerlei konkrete Anhaltspunkte für eine Kenntnis oder die Wahrscheinlichkeit einer Kenntnis herleiten lassen.
140

bb) Ein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB besteht nur dann, wenn die Täuschung für die Willenserklärung ursächlich geworden ist (vgl. Palandt/Ellenberger, 71. Aufl., § 123 BGB Rz 24). Dies ist dann der Fall, wenn der Getäuschte die Willenserklärung ohne die Täuschung überhaupt nicht oder mit einem anderen Inhalt oder zu einem anderen Zeitpunkt abgegeben hätte. Kein Ursachenzusammenhang besteht hingegen, wenn der Getäuschte die Willenserklärung aufgrund eigener selbständiger Überlegungen unabhängig von der Täuschung abgegeben hat (Ellenberger a.a.O.). Für die Annahme einer arglistigen Täuschung ist es nicht erforderlich, dass für den Getäuschten bei größerer Aufmerksamkeit der Irrtum vermeidbar gewesen wäre und die Erklärung dann nicht abgegeben worden wäre. Denn auf Verschulden des Getäuschten kommt es nicht an (BGH NJW 1989, 287, 288; BGH NJW 1997, 1845, 1847).
141

Wenn die Versicherer Kenntnis von der Insolvenzreife und dem Schneeballsystem gehabt hätten, wäre das diesbezügliche Verschweigen seitens der Fa. B nicht mehr kausal für die auf Abschluss des Versicherungsvertrages gerichteten Willenserklärungen. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Kausalität des Irrtums für die Vertragserklärung im Wege des Anscheinsbeweises als erwiesen angesehen werden (vgl. Beschluss vom 21.03.2012 IV ZR 233/09 Rz 26 ff zitiert nach iuris). So hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass es sich von selbst versteht, dass der Versicherer einer Geldtransportfirma nicht bereit ist, Versicherungsschutz zu gewähren, der unter anderem auch die Unterschlagung von Kundengeldern durch die Versicherungsnehmerin umfassen soll, wenn er weiß, dass diese Versicherungsnehmerin bereits seit Jahren durch systematischen rechtswidrigen Zugriff auf Kundengelder Millionenschäden verursacht hat. Hier kann nach der Lebenserfahrung angenommen werden, dass die Täuschung geeignet gewesen sei, die Vertragserklärung der Versicherer zu beeinflussen. Diese Ausführungen im Y-Komplex gelten vorliegend gleichermaßen, so dass der Senat im Wege des Anscheinsbeweises davon ausgeht, dass der Irrtum der Beklagten über das Schneeballsystem kausal für ihren dem Vertragsschluss zugrunde liegenden Entschluss war.
142

Auch wenn die beteiligten Versicherer, nachdem sie Anfang 2006 von Verschiebungen erfahren haben sollen, nicht zum Mittel der Anfechtung gegriffen und nicht darauf gedrungen hätten, die bekannt gewordenen Umstände umgehend abzustellen, sondern ein Stillhalteabkommen mit der Geschäftsführung von B getroffen zu hätten, wonach diese den Unternehmensteilverkauf vorantreiben und im Gegenzug keine “echten” Prüfungen stattfinden sollten, würde dies den Anscheinsbeweis nicht erschüttern. Denn ein solches Verhalten hätte nicht auf ein unbegrenztes “Weitermachenkönnen” bei der Fa. B, sondern auf die Herbeiführung eines “geordneten Endes” gezielt. Daraus kann nicht geschlussfolgert werden, dass sich die Beklagten auch dann auf den Vertragsschluss mit der Fa. B eingelassen hätten, wenn sie noch vor Vertragsabschluss von dem laufenden Schneeballsystem erfahren hätten. Allein weil die beteiligten Versicherer versucht haben könnten, im eigenen wirtschaftlichen Interesse “schadlos” aus dem Versicherungsverhältnis herauszukommen, kann nicht darauf geschlossen werden, dass ihnen bei Vertragsschluss alle maßgeblichen Umstände gleichgültig gewesen wären. Dies wäre nur zu erwägen, wenn ausreichende Anhaltspunkte vorliegen würden, wonach die Versicherer eine Ausweitung ihres Marktanteils buchstäblich um jeden Preis angestrebt hätten. Dafür fehlt aber jeder durchgreifende Anhaltspunkt.
143

4. Es ist auch die Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB gewahrt.
144

Die Jahresfrist des § 124 BGB beginnt mit der Entdeckung der Täuschung durch den Anfechtungsberechtigten zu laufen; nicht ausreichend ist ein bloßes Kennenmüssen oder ein bloßer Verdacht (BGH Urteil vom 21.09.2011 IV ZR 38/09 Rz 46 bei iuris).
145

Der Fristlauf beginnt erst, wenn der Getäuschte die arglistige Täuschung als solche erkennt und nicht bereits dann, wenn er über Erkenntnisse verfügt, aus denen sich Anhaltspunkte für die wahre Sachlage ergeben. Denn die Kenntnis muss sich nach § 124 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht nur auf die objektive Unwahrheit der Angaben, sondern auch auf die subjektive Arglist des anderen Teils beziehen (BGH Beschluss 18.01.2012 IV ZR 15/11 Rz 11 bei iuris).
146

Die Beweislast für alle Voraussetzungen des Erlöschens des Anfechtungsrechts trägt der Anfechtungsgegner; er muss daher auch beweisen, wann der Anfechtungsberechtigte von der arglistigen Täuschung Kenntnis erlangt hat (Palandt/Ellenberger, 71. Aufl., § 124 BGB Rz 5).
147

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Y-Komplex (vgl. Beschluss vom 21.03.2012 IV ZR 152/10 Rz 33 bei iuris) reicht die Kenntnis von Liquiditätslücken, Zahlungsschwierigkeiten, Geldentnahmen und Veruntreuungen nicht aus. Entscheidend ist danach, ob der Versicherer bei Abschluss der Police Kenntnis hatte von dem “Schneeballsystem, seinem Ausmaß und vor allem dem Umstand, dass Y-Verantwortliche all dies [bei Abschluss der Police] wissentlich verschwiegen hatten”. Maßgeblich ist die Kenntnis des Versicherers, dass er “bei Abschluss der Police … über die Existenz des damals schon für Millionenschäden verantwortlichen Schneeballsystems getäuscht worden war” (BGH a.a.O.).
148

Dies bedeutet, dass es Sache der Klägerin ist darzulegen und zu beweisen, dass die Beklagten bereits länger als ein Jahr vor ihren Anfechtungserklärungen Kenntnis von der arglistigen Täuschung hatten (vgl. BGH NJW 1992, 2346, 2347 f).
149

Nach dem Vortrag der Beklagten zu 1) und 3) hatten diese vor dem 28./29.08.2006 keine Kenntnis von den Geldverschiebungen bei B. Bezogen auf diesen Zeitpunkt sind die Anfechtungserklärungen vom 30.08.2006 und 26.09.2006 innerhalb der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB abgegeben worden.
150

Auch wenn dem Geschäftsführer der Fa. D, I, aufgrund langjähriger Kenntnis und Betreuung der Wertpapierversicherung bei der Fa. B schon in der Zeit der Vorversicherung beim Versicherer Y die dortigen Verhältnisse bereits vor Vertragsschluss umfassend bekannt gewesen seien sollten, bezieht sich diese Kenntnis dem Zusammenhang nach auf die allgemeinen Verhältnisse bei der Fa. B und nicht auf das dortige Betreiben eines Schneeballsystems. Auch soweit der Geschäftsführer I wie klägerseits vorgetragen sein Wissen um nicht näher spezifizierte “Unregelmäßigkeiten” mit zur Fa. D genommen hätte, kann hieraus, wie oben bereits dargelegt, nicht auf eine Kenntnis von dem praktizierten Schneeballsystem und der Insolvenzreife der Fa. B rückgeschlossen werden.
151

Soweit die Klägerin behauptet, dass der Sachverständige L zur Jahreswende 2004/2005 “erstmals” Anhaltspunkte für Zahlungsschwierigkeiten bei B erhalten habe, dass im Oktober/November 2005 Herr L den Geschäftsführer der Fa. D I darüber informiert habe, dass bei der Fa. B Kundengelder in Höhe von 7 bis 10 Mio. EUR unterschlagen würden und dass im Dezember 2005 I hierüber erneut informiert worden sei, diesmal durch C2 (oder C2), der wiederum von L informiert worden sei, ist dieser Vortrag bereits von seinem zeitlichen Bezugspunkt her nicht geeignet, ein Verstreichenlassen der Frist des § 124 Abs. 1 BGB darzutun. Denn selbst bei einer im Oktober/November 2005 unterstellt erfolgten Mitteilung an den Geschäftsführer der Fa. D I wäre die Jahresfrist weder am 30.08.2006 (Anfechtung durch Rechtsanwalt H2) noch am 26.09.2007 (Anfechtung durch Rechtsanwalt Dr. H) verstrichen gewesen.
152

Auf den weiteren Vortrag der Klägerin, spätestens Anfang Februar/Ende März 2006 habe die Beklagte zu 3) durch den zuständigen Mitarbeiter Herrn X ebenfalls Hinweise auf Schiebereien bei der Fa. B erhalten, kommt es deshalb vom zeitlichen Bezugspunkt ebenso wenig an, wie auf die weitere Behauptung der Klägerin, dass L Anfang März 2006 dem M zwei Kunden genannt habe, bei denen verspätete Geldeingänge vorgekommen seien, was M dem Geschäftsführer der Fa. D mitgeteilt habe.
153

Dies gilt auch, soweit im März 2006 Hinweise auf Verschiebungen in Millionenhöhe bei B erfolgten und der Sachverständige M bei einer Revision am 13./14.03.2006 in Hamm einen Sachverhalt aus 2002 entdeckt hätte, der auf Veruntreuungen schließen ließ.
154

§ 124 BGB kommt vorliegend auch zur Anwendung. Die Anwendbarkeit dieser Norm kann im Versicherungsvertragsrecht nicht auf den Fall beschränkt werden, dass die Täuschung erst nach Eintritt des Versicherungsfalles auffällt.
155

5. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine Bestätigung des Versicherungsvertrages nach § 144 BGB ist nicht erfolgt.
156

Die Bestätigung nach § 144 BGB ist der Sache nach ein Verzicht auf das Anfechtungsrecht (vgl. Palandt/Ellenberger § 144 BGB Rz 1). Gemäß § 144 BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird, wobei diese Bestätigung nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form bedarf und auch durch schlüssige Handlung erfolgen kann. Erforderlich ist ein Verhalten, das den Willen offenbart, trotz der Anfechtbarkeit an dem Rechtsgeschäft festzuhalten, wobei jede andere den Umständen nach mögliche Deutung ausgeschlossen sein muss (BGHZ 110, 220, 222; BGH NJW-RR 1992, 779, 780).
157

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 21.03.2012 IV ZR 233/09 Rz 6 bei iuris) setzt die Bestätigung anfechtbarer Rechtsgeschäfte gemäß § 144 BGB die Kenntnis vom Anfechtungsgrund voraus. Selbst wenn die Beklagten nach Vertragsschluss Kenntnis von Unregelmäßigkeiten bei der Firma B erlangt haben sollten, so ist jedenfalls nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass ihnen bereits im April oder Juli 2006 das gesamte Ausmaß des Schneeballsystems bekannt war sowie die Tatsache, dass dieses bereits bei Vertragsschluss bestand und insoweit ein Anfechtungsrecht gegeben war. Die von der Klägerin behauptete Änderung der Verträge der offenen Mitversicherung im April/Mai 2006 und im Juli 2006 hätte daher ebenso wenig zu einer Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts geführt wie ein mögliches Stillhalteabkommen, zwischen den Beklagten und der Fa. B.
158

6. Den Beklagten ist es auch nicht nach Treu und Glauben nach § 242 BGB verwehrt, den Versicherungsvertrag anzufechten.
159

Zwar kann auch die Geltendmachung des Anfechtungsrechts durch den Anfechtungsberechtigten verwirkt sein kann, denn alle Rechte und Rechtspositionen unterliegen grundsätzlich der Verwirkung (Palandt/Grüneberg, 71. Aufl. § 242 BGB Rz 88). So hat der Bundesgerichtshof (BGHZ 107, 368, 375 f; vgl. Prölss/Martin, 27. Aufl., § 6 VVG Rz 131; grundsätzlich für Rechtsmissbrauch als Schranke der Anfechtbarkeit auch Römer/Langheid, 2. Aufl., § 6 VVG Rz 133) entschieden, dass die Sanktion der Leistungsfreiheit verwirkt ist, wenn sich der Versicherer in einer der arglistigen Täuschung “gleichwertigen oder gar schwerwiegenden Art und Weise” verhält. Dies gelte, wenn der Versicherer das gegenseitige Vertrauensverhältnis grundlegend und in ausgesprochen vorwerfbarer Weise zerstöre; auch in besonders gelagerten Fällen müsse es für einen Versicherer selbstverständlich sein, sich korrekt zu verhalten.
160

Allgemein wird angenommen, dass ein Anfechtungsrecht ausnahmsweise dann durch Verwirkung ausgeschlossen ist, wenn in der Ausübung ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt (Erman/Arnold, 13. Aufl., § 242 BGB Rz 2), bzw. wenn besondere Umstände vorliegen (PWW/Ahrens, 6. Aufl., § 124 BGB Rz 1). Auch in seinen Entscheidungen NJW 1992, 2346 und NJW 1971, 1795, 1800 ist der Bundesgerichtshof grundsätzlich von der Möglichkeit einer Treuwidrigkeit einer Arglistanfechtung ausgegangen, hat dafür aber das Vorliegen ganz besonderer Umstände verlangt.
161

Allerdings erweist sich das von der Klägerin vorgetragene Verhalten der Beklagten nicht als so erheblich missbilligenswert, dass ihnen das Recht zur Anfechtung abzusprechen wäre.
162

Nach Auffassung des Senates stellt es keinen zureichenden Anknüpfungspunkt für eine zu missbilligende Widersprüchlichkeit dar, dass die Beklagten – die Richtigkeit des klägerischen Vortrags unterstellt – an dem Vertrag festgehalten haben, solange es ihnen vorteilhaft erschien, und zum Mittel der Anfechtung erst dann gegriffen haben, als sie sich von der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der Fa. B keinen weiteren Nutzen versprachen. Denn es ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz dem arglistig Getäuschten eine Jahresfrist für die Ausübung seines Anfechtungsrechts einräumt. Anders als der nach den §§ 119, 120 BGB Anfechtende, der sein Anfechtungsrecht nach § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB unverzüglich ausüben muss, will er es nicht verlieren, hat der arglistig Getäuschte somit eine Bedenkfrist von einem Jahr. Der Anfechtungsgegner muss den langen Zeitraum des Wahlrechts des Anfechtungsberechtigten hinnehmen, weil er – der Anfechtungsgegner – weniger schutzbedürftig ist (vgl. Staudinger/Singer, Neubearbeitung 2011, § 124 BGB Rz 1; MünchKomm/Armbrüster, 6. Aufl., 2012, § 124 BGB Rz 1). Das Durchgreifenlassen der Treuwidrigkeit führt im Ergebnis zu einer vorzeitigen Beendigung des Wahlrechts und beseitigt letztlich das Wahlrecht, weil von der Anfechtungsberechtigten ein unverzügliches Handeln nach Erkennen der Anfechtungsberechtigung verlangt wird, was grundsätzlich der gesetzlichen Konzeption zuwiderläuft. Überdies ist zu berücksichtigen, dass nach der gesetzlichen Konzeption ein vorzeitiger Verlust des Anfechtungsrechts nur im Falle der Bestätigung nach § 144 BGB stattfinden soll. Hierzu ist anerkannt (vgl. Staudinger/Roth, Neubearbeitung 2011, § 144 BGB Rz 6; MünchKomm/Busche 6. Aufl., § 144 BGB Rz 6), dass an die Annahme einer Bestätigung durch konkludentes Verhalten strenge Anforderungen zu stellen sind, um das Wahlrecht nicht zu unterlaufen.
163

Auch im Weiteren liegen hier keine so ungewöhnlichen Umstände vor, die die Annahme einer Treuwidrigkeit rechtfertigen könnten:
164

So ist schon in den Blick zu nehmen, dass die Klägerin mangels Bestehens eines Direktanspruchs (vgl. Felsch r+s 2012, 223, 224) aus abgetretenem Recht des Insolvenzverwalters vorgeht, also Ansprüche geltend macht, die ursprünglich der Fa. B gegenüber den Beklagten zustanden. Es liegt auf der Hand, dass die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens der Beklagten gegenüber der Fa. B nicht in Betracht kommt. Denn neben dem Gesichtspunkt des Schutzes des arglistig Getäuschten vor den Machenschaften des arglistig Täuschenden tritt hier hinzu, dass es gerade die Fa. B selbst gewesen ist, die nach dem Vortrag der Klägerin der Fa. D ein Stillhalteabkommen angetragen hat. Die Fa. B selbst würde sich widersprüchlich verhalten, wenn sie sich darauf berufen würde, dass die Beklagten mit ihr kein Stillhalteabkommen hätten abschließen dürfen, sondern unmittelbar im März 2006 hätten anfechten müssen.
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Dass die Versicherer nach Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten nicht unmittelbar die Anfechtung erklärt haben und möglicherweise im Rahmen der beabsichtigten Abwicklung auf ihren eigenen wirtschaftlichen Vorteil bedacht waren, begründet allein keinen Gesichtspunkt der Treuwidrigkeit. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass es die Verantwortlichen der Fa. B waren, die durch ihre arglistige Täuschung die Willensfreiheit der Versicherer beeinträchtigt haben und die Verantwortlichen der Fa. B allein die Verantwortung für das kriminelle Schneeballsystem tragen. Deshalb vermag allein ein passives Verhalten der Versicherer in Kenntnis des Schneeballsystems eine Treuwidrigkeit des Handelns der Beklagten nicht zu begründen.
166

Dass die Beklagten mittels der Fa. D vorsätzlich durch eigenes aktives Handeln zur Aufrechterhaltung des kriminellen Schneeballsystems beigetragen hätten, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Auch wenn die Beklagten bereits Ende Oktober/Anfang November 2005 von Unregelmäßigkeiten bei der Firma B erfuhren, ist eine positive Kenntnis der Beklagten vom Ausmaß der Veruntreuungen von der Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden.
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Hinzukommt, dass es die Versicherten wie die Klägerin sind, die sich die Fa. B als Vertragspartner ausgewählt und damit auf ihr eigenes Risiko gehandelt haben, so dass es konsequent ist, die Versicherten alle Folgen des Verhaltens der Fa. B tragen zu lassen.
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7. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich eine Haftung gegen die Beklagte zu 3) auch nicht daraus, dass bei wirksamer Anfechtung gemäß 139 BGB die Vorgängerpolicen Nr. … wieder auflebt. Zwar kann nach der Rechtsprechung des BGH(vgl. BGH, Beschluss vom 21.09.2011 , IV ZR 38/09 -iuris-) gegebenenfalls bei Aufhebung eines alten und Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegen, wenn die Aufhebung des bestehenden Versicherungsvertrages bei den Verhandlungen über die neue Police zumindest von der Versicherungsnehmerin nicht ohne den gleichzeitigen Neuabschluss gewollt war. Der BGH hat hierzu ausgeführt, dass es für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts spreche, wenn die Versicherung bei Abschluss der neuen Police erkannt und akzeptiert hat, dass beide Rechtsgeschäfte jedenfalls für die Versicherungsnehmerin miteinander stehen und fallen sollten.
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Der ursprüngliche, mit der Beklagten zu 3) und der Nebenintervenientin über einen anderen Makler abgeschlossene Versicherungsvertrag wurde mit dem Wechsel des Versicherers beendet. Es wurde ein neuer Vertrag mit anderen Vertragsparteien abgeschlossen. Der Wechsel des Vertragspartners spricht hier erkennbar gegen den Wunsch der Fa. B als Versicherungsnehmerin, dass die Beendigung des alten Vertrages mit dem Abschluss des neuen Vertrages stehen und fallen sollte.
170

8. Wie der BGH in seiner Revisionsentscheidung umfassend ausgeführt hat, besteht auch kein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten. Der Senat schließt sich den Ausführungen insoweit an.

III.
171

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 543 Abs. 2 Satz 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt und solche des Einzelfalls.

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